"Geizkragen": Kammerkomödie im Wohnwagen

28.07.2014

Bildinhalt: "Geizkragen": Kammerkomödie im Wohnwagen  | Camping-Atmo in der Galerie Kub - dem Geizkragen sei Dank. / Foto: André Kempner
Camping-Atmo in der Galerie Kub - dem Geizkragen sei Dank. / Foto: André Kempner
 

Von Dimo Riess

Das Vermögen ist groß, der Wohnwagen klein. Es passt nicht alles zusammen bei Harpagon, der in Saint Tropez auf dem Hinterhof-Campingplatz absteigt. Der Geizkragen, und so heißt auch das Sommertheater der Cammerspiele, das am Freitag im weitgehend überdachten Hof der Galerie KUB seine Premiere feierte, will die viel jüngere Mariane ehelichen. Seine Kinder Cléante (der ebenfalls Mariane liebt) und Elise (heimlich mit Harpagons Diener Valère liiert) wiederum plant er gegen deren Willen im Sinne des Geldes zu verheiraten. Und so nimmt die Komödie ihren Lauf mit dem passablen Einsatz der Stilmittel von Boulevard-Theater bis 70er-Jahre-TV-Klamotte. Genauer: Liebschaften im Wohnwagen-Schrank, Intrigen, Koffer-Verwechslungen und Verballhornungs-Choreografien.

Regisseur Sebastian Börngen und das Cammerspiele-Team vermischen Frankreichs große Komödianten Molière und Louis de Funès, der mit "Der Geizhals" aus dem Stoff des 17. Jahrhunderts eine Filmkomödie machte. Allerdings ergibt Molière plus de Funès noch lange nicht große Komödie. Der 17.-Jahrhundert-Paternalismus wird etwas bemüht ins Campingplatz-Setting gequetscht. Schauspielerisch ist die vermeintlich leichte Komödie immer eine Herausforderungen. Zu groß die Versuchung zu überdrehen, der auch die Cammerspieler, allen voran Karla Müller als Harpagon, immer wieder erliegen, womit die Grenze zur Albernheit schnell überschritten ist. Wer bei Louis de Funès, der auf dieser Grenze virtuos zu balancieren wusste, wildert, begibt sich auf gefährliches Terrain. Das wirkt besonders zu Beginn bemüht, bekommt in der zweiten Hälfte aber deutlich mehr Schwung und Sicherheit.

Originell ist die Inszenierung, wenn sie sich von den Vorlagen löst und eigene Ansätze auslotet. Wenn Harpagons Leihgeschäft mit der Anspielung auf eine Shopping-Schau im Kommerz-TV persifliert wird und kritisch die Gegenwart spiegelt. Oder, als kurze Gag-Einlage, wenn das Deko-Element Eidechsenschwanz sogar noch von der traurigen Echse persönlich abgeliefert wird.

Sinn ergibt die Verortung auf dem Campingplatz zwar wenig. Schaut man darüber hinweg, macht der zum Publikum komplett geöffnete Wohnwagen als zentrales Bühnenbild aber richtig Spaß. Die Schauspieler nutzen alle Möglichkeiten. Mit Drängeleien auf engstem Raum und kleinen Überraschungseffekten im Einbauschrank gelingt das Kunststück einer Kammerkomödie unter freiem Himmel. Außerdem hält die Regie den Handlungsfaden immer souverän in der Hand. Bei allen Wendungen und Rollenwechseln - Müller, Sarah Arndtz (Jacques und Mariane), Josef Weitenbörner (Cléante), Madeleine Brandt (Elise), Christian Strobl (Valère) schlüpfen regelmäßig in Nebenrollen - der rund 90-minütige Abend strebt gut verständlich vorwärts. Und wird am Ende im ausverkauften KUB-Hof bejubelt.

Weitere Termine 30. & 31. Juli, 1., 2., 6., 7., 8. und 9. August in der Galerie KUB (Kantstraße 18); 27. bis 29. August in der Villa Hasenholz (Gustav-Esche-Straße 1), jeweils 19.30 Uhr; Karten: www.cammerspiele.de.

Text von Dimo Riess

Leipziger Volkszeitung, vom 28. 07. 2014


Nachricht vom 28.07.2014
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