Ein neues Konzept für Obdachlose

20.06.2014

Bildinhalt: Ein neues Konzept für Obdachlose  | Wird geschlossen: der Obdachlosentreff in der Rückmarsdorfer Straße. / Foto: A. Döring
Wird geschlossen: der Obdachlosentreff in der Rückmarsdorfer Straße. / Foto: A. Döring
 

Stadt betreut 800 Menschen ohne Dach über dem Kopf / Schließung des Treffs in der Rückmarsdorfer Straße.

Von Angelika Raulien

Der Stadtverband der Volkssolidarität (VS) schließt zum 30. Juni den Tagestreff für wohnungslose Männer in der Rückmarsdorfer Straße 5. Hintergrund: Die Stadt hat ein neues Konzept zur Wohnungslosenhilfe erstellt.

Seit zwei Jahren wird das Konzept fortgeschrieben; Ziel ist eine neue Förderstruktur. Obdachlose Personen sollen intensiver betreut werden - mit Blick auf die vielschichtigen psychischen Leiden, Suchtkonsum und Arbeitslosigkeit. Laut Stefan Adams, Abteilungschef für Wohnhilfen im Rathaus, sind aktuell rund 800 Menschen ohne Dach über dem Kopf in Leipzig bekannt, die durch die Stadt unterstützt werden. "Unsere Statistik offenbart eine Zunahme bei chronisch abhängigen, suchtkranken älteren Frauen und Männern."

Eine Evaluierung der Tagestreff-Arbeit habe ergeben, dass zwei offene Treffs in der Form, wie ihn die VS bisher in der Rückmarsdorfer Straße betreibt, künftig ausreichen würden: der ökumenische Tagestreff Oase in der Nürnberger Straße und die "Insel", Eisenacher Straße 40. "Dazu plant die Stadt jetzt eher Angebote, die der sich ändernden Bedarfslage wohnungsloser Bürger gerechter werden", so Adams. In der Rückmarsdorfer Straße soll aber auf alle Fälle das dort gleichfalls verortete "Leipziger Integrationshaus" mit seinem betreuten Wohnangebot verbleiben.

13 Jahre lang hatte die VS den Treff in Leutzsch betrieben. Laut Sprecher Martin Gey ist er täglich für knapp 30 Leute Anlaufstelle. Sie können eine Kleiderkammer und Möglichkeiten zur Körperpflege nutzen, es gibt Hilfe bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Nur: "In den letzten Jahren hat sich die Altersstruktur unserer Gäste besorgniserregend verjüngt, sie sind mittlerweile zwischen 25 und 40 Jahre alt", sagt Gey. Und Wohnungslosigkeit sei längst nicht mehr ihr einziges Problem. Verstärkt kämen Suchterkrankungen hinzu. Und die VS wird immer öfter von obdachlosen Frauen um Aufnahme gebeten, für die der Treff aber nicht ausgelegt ist. Die Schließung komme nicht von Jetzt auf Gleich.

Schon vor zwei Jahren habe es für die drei Leipziger Tagestreffs eine europaweite Betreiberausschreibung gegeben, die bereits auf neuen, modifizierten Förder- und Fachkriterien basierte. Sie blieb ergebnislos. "Auf Bitten der Stadt haben wir daher unseren Treff noch etwas weiterbetrieben, um den Standort an sich zu sichern", berichtet Gey.

Natürlich habe auch die VS eine Beteiligung an der Ausschreibung geprüft. "Wir haben es aber gelassen", so der VS-Sprecher. "Für uns war absehbar, dass wir die neuen Anforderungen hinsichtlich der Qualifizierung unserer Mitarbeiter nicht erfüllen können." Und, weil jetzt von Entlassungen im Leutzscher Treff zu hören war, fügt er hinzu: "Mit den zwei hauptamtlichen Mitarbeitern haben wir gesprochen, sie werden bei der Volkssolidarität weiter beschäftigt. Eine Mitarbeiterin war projektbezogen angestellt. Sie verlässt den Stadtverband." Die Handvoll ehrenamtlicher Mitstreiter, von deren Engagement die Treffarbeit im Wesentlichen lebte, könnten, sofern sie mögen, in anderen VS-Bereichen tätig werden.

Text von Angelika Raulien

Leipziger Volkszeitung, vom 20. Juni 2014


Nachricht vom 20.06.2014
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