Heiß begehrte Papierkleider - Hannelore Crostewitz spricht über Mode in der DDR

25.03.2013

Bildinhalt: Heiß begehrte Papierkleider - Hannelore Crostewitz spricht über Mode in der DDR | Textiler Streifzug durch Mode und Design im Fundbuero / Foto: André Kempner
Textiler Streifzug durch Mode und Design im Fundbuero / Foto: André Kempner
 

Lindenau. Mit Nadel, Zwirn, Spaß und Ideen begegneten Hobby-Schneiderinnen zu DDR-Zeiten modischer Langeweile. Was dabei herauskam, war oft unverwechselbar. Zwar konnten sich auch viele Entwürfe aus dem Mode-institut sehen lassen, doch für die Massenproduktion galten ökonomische Zwänge und so gab's Begehrenswertes eher selten zu kaufen.
Darüber hinaus ging vieles, was in ostdeutschen Betrieben produziert wurde an den Versandhandel der Bundesrepublik. Mode in der DDR - das war oft ein Spagat zwischen individueller Handschrift und Standardkonfektion. "Jeans, heiße Höschen, Papierkleider und Kupferdrahtröschen" hieß dann auch folgerichtig der Vortrag zu dem "Das Fundbuero" geladen hatte. Hannelore Crostewitz nahm die Besucher mit auf einen textilen Streifzug durch Mode und Design in Ostdeutschland.

Der Markranstädter Autorin brachte der Veranstaltungsort eine Begegnung der besonderen Art: Jahrzehnte zuvor dekorierte sie die Schaufenster. Denn genau an jener Stelle in der Georg-Schwarz-Straße, wo heute "Das Fundbuero" auf Spurensuche geht, fahndeten zu DDR-Zeiten die Lindenauer und Leutzscher nach Kleidung. "Das ,Textil-Eck' an der Georg-Schwarz-Straße führte Damen-, Herren- und Kindertrikotagen - also Pullover, Strickjacken, Nachtwäsche - dazu gab es Beiwerk wie Schals, Mützen, Handschuhe und allerhand Nützliches wie Tischdecken oder Handtücher. Der kleine HO-Laden war sehr beliebt bei der Bevölkerung", erinnert sich Crostewitz. Mehr geschadet als genutzt habe dabei wohl die Verstaatlichung privater Betriebe. So musste beispielsweise das renommierte Magdeburger Modehaus Bormann seine bisherige Vielfalt aufgeben und sich staatlichen Vorgaben unterordnen. Die über 400 Exquisitläden, die es zum Schluss in der DDR gab, konnten den Mangel kaum ausgleichen, zumal es dort vieles nur für teures Geld gab. Dabei wurde so manches gute Stück in der DDR hergestellt und kam quasi auf Umwegen in Ex-Läden oder durch die Westverwandtschaft zurück.

"Wir haben für Versandhäuser wie Quelle und Otto produziert", berichtete eine Besucherin, die in den Leipziger Bekleidungswerken "Vestis" jene Waren nähte, die dann drüben "billig verhökert wurden". Stoffarten wurden jedoch häufig westlich der Elbe kreiert und östlich davon im Rahmen der Möglichkeiten umgesetzt. Produzierten die zahlreichen Chemiebetriebe in der DDR Synthetisches, änderte man einfach den Name des Materials. "Polyester hieß Präsent 20, Acryl wandelte sich zu Wolpryla und Nylon zu Dederon", zählte die Fachfrau einige Beispiel auf.

Allzu atmungsaktiv waren diese Stoffe allerdings nicht: "Man schwitzte ganz schön", konnten sich einige ältere Damen noch gut erinnern. "Dafür war die Kleidung strapazierfähig und geknittert hat sie auch nicht." Echte Renner gab es ebenfalls darunter: Heiß begehrt waren beispielsweise die Papierkleider - "so fünf bis sechs Wäschen machten die mit." Keinen Platz auf der Rangliste erhielten dagegen die Ostjeans wie "Wisent" und "Boxer". "Trug keiner bei uns in der Schule", erinnerte sich eine Mittvierzigerin. Und überhaupt hatten es modebewusste Teenies nicht einfach: "Ham wa nich, könn'se nur mal wieder reingucken", lautete eine Standardantwort in der Jugendmode am Georgiring.

Selbermachen hieß deshalb die Devise. Anregungen brachten die Schnittmusterbögen von Sibylle und Pramo oder die Mode in Film und Fernsehen. "Wir haben wahnsinnig viel gebatikt", berichtete Marlies Kamm. Ihren Bananenrock habe sie ebenso selbst genäht wie ihre rote Jeans, ordentlich mit Kartoffelmehl gestärkt wurde der Petticoat. "Heiße Höschen wurden halt gehäkelt, wenn es sie schon nicht zu kaufen gab." Von Ideenreichtum zeugten auch jene Ketten, für die Kupferdrahtspulen auseinandergerollt wurden: Holzperlen, Apfelkerne, Nudeln oder Drahtröschen schmückten dann die unkonventionellen Halsbänder: Nachhaltiger kann Mode heutzutage auch nicht sein.

Text von Ingrid Hildebrandt

www.dasfundbuero.org


Nachricht vom 25.03.2013
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