“Was heißt ‘Zugabe’ auf Französisch?”

19.02.2013

Bildinhalt: “Was heißt ‘Zugabe’ auf Französisch?” | Das Kaffee Schwarz / Foto: Jendrik Kleinert
Das Kaffee Schwarz / Foto: Jendrik Kleinert
 

Vorwort: Liebe Freunde der Georg-Schwarz-Straße, eigentlich waren wir mal so völlig zivil und privat in unserer Lieblingsstraße unterwegs. Aber das Konzert der französischen Band Coming Soon war so unverkennbar Georg Schwarz, dass ich einfach nicht anders konnte. Es war einfach wunderbar! Äh, wo wart ihr eigentlich?

Ich war ja schon oft im Kaffee Schwarz, allerdings noch nie auf einem Konzert. Doch Peggy hat einen guten Riecher für Musik und so verlasse ich mich blind auf ihren Vorschlag. Es ist Freitag, eigentlich habe ich gar keine Lust mehr, raus zugehen. Strammen Schrittes marschiere ich durch die Georg-Schwarz-Straße. Es ist kalt, ich habe die Schulter hochgezogen. Ich begegne einer Frau mit Hund, sonst ist nicht viel los. Ich rechne mit Menschenmassen vorm Kaffee Schwarz. Um 20.30 Uhr soll das Konzert losgehen, wir wollen uns extra schon um 20.15 Uhr treffen. Von Weitem sehe ich es schon. Da steht … niemand! Zögernd bleibe ich ein paar Meter vorm Eingang stehen. Ich überlege, ob wir uns im Tag geirrt haben. Ein Mädchen kommt heraus, um eine Zigarette zu rauchen. Wenige Momente später tritt ein großer Typ auf die Straße. Er telefoniert und sagt auf Französisch, dass sie bald anfangen werden, zu spielen. „Ah, das muss der Sänger sein!“, denke ich. „Schau mal, das ist der Sänger!“, flüstert Peggy, als sie mich zur Begrüßung umarmt. Kurz darauf kommt Karen. „Die Kamera hätte ich aber nicht mitbringen sollen, oder?“, fragt sie. „Quatsch, wir sind hier doch privat!“, antworte ich. Ich schiebe den dicken Vorhang an der Eingangstür zurück. Es sitzen ca. 15 Leute im Kaffee Schwarz. Wir entscheiden uns für den vordersten Tisch. Auf dem Sofa sitzt die Band, tippt in ihre Iphones, Tablets und Laptops. Abwechselnd gehen sie raus zum Rauchen. „Sagt den Leuten, dass ihr eine Kupfer-Allergie habt, wenn der Hut rumgeht“, schärft Raymond, einer der Betreiber des Cafés, der Band augenzwinkernd ein.

Fantastisch unpünktlich und ganz in französischer Manier, startet die Band das Konzert gegen halb zehn. Letztendlich spielen Coming Soon für ca. 20 Gäste (Raymond und eine weitere Mitarbeiterin des Cafés mit eingerechnet). Es fühlt sich ein wenig an, als hätte man ein Wohnzimmer-Konzert gewonnen. Doch die Band gibt alles und schon beim ersten Lied kann ich mich kaum noch auf den Stuhl halten. Mit dem Oberkörper wackele ich wild hin und her, schnippe mit den Fingern oder klopfe den Beat auf meinen Oberschenkeln. Nur der Rest meines Körpers will noch nicht so richtig und klebt am Stuhl fest. „Ihr dürft auch ruhig mal tanzen!“, sagt der Sänger auf Englisch. „So sieht es aus, als würden wir in einer Flughafenhalle spielen!“, lacht er. „Später dann vielleicht!“, denke ich und bestelle mir noch ein Bier. Eine Dame kommt mir zuvor. Sie springt auf, wirbelt wild umher, verbiegt sich und wirft die Hände in die Luft. Sie animiert auch ihre adrett gekleideten Freundinnen dazu, mitzumachen. Uns tippen sie ebenfalls immer wieder auf die Schulter und sagen, dass wir aufstehen sollen. Wir lehnen dankend ab. Auch im Sitzen liefern wir eine umwerfende Performance ab, wie ich finde… Jedes Stück ist durch und durch tanzbar und macht gute Laune. Die Jungs versenken sich regelrecht in ihrer Musik. Als Coming Soon ein Liebeslied spielen, stehen zwei Gäste auf, ziehen ihre Jacke an und gehen. „Immer, wenn wir diesen Song spielen, gehen zwei Leute!“, lacht der Sänger. „Aber mit diesem Risiko müssen wir leben!“

Nach dem letzten Song klatscht das kleine aber durchaus enthusiastische Publikum sich die Hände wund, um noch eine Zugabe zu bekommen. „Was heißt ‚Zugabe‘ auf Französisch?“ überlege ich. „Was heißt ‚Zugabe‘ auf Englisch?“, frage ich Peggy. „‘One more song‘“, antwortet sie. Mit meinen Händen will ich gerade einen Trichter formen und ganz laut rufen, da schüttelt sie den Kopf und sagt: „Einfach weiterklatschen!“ Na ja, ich bin doch noch so neu im Konzertgewerbe… Unsere Anstrengungen waren erfolgreich und so geben die 5 Franzosen noch 4 weitere Songs zum Besten. Beim letzten Lied knipst der Sänger die Stehlampe aus. „Das ist ein richtiger Disco-Song!“, ruft er. Nun sind (bis auf zwei) alle Gäste aufgesprungen und tanzen wild auf dem kleinen Gang zwischen den Tischen und den Stühlen. Am Eingang stehen zwei Leute, die eben erst angekommen sind und beobachten das Spektakel etwas skeptisch.

„Wie viel Geld hast du noch?“, fragt Karen. „Ich möchte gerne eine CD kaufen!“ Wir gehen vor zur Theke, wo die CDs ausliegen. Ich habe mir fest vorgenommen, der Band auf Französisch zu sagen, wie toll ich ihr Konzert fand. Nach zwei Bier und einem Französisch-Intensivkurs, den ich diese Woche absolviert habe, habe ich nämlich das Gefühl, plötzlich fließend Französisch zu sprechen. Und dann stehen Karen und ich vor dem Sänger. Sie plaudert munter auf Englisch mit ihm, ich stehe daneben und bin stumm wie ein Fisch. Ich schaue ihn verlegen an, reiche Karen die 20 Euro und sie bezahlt die 2 CDs. Das einzige, was ich zum Schluss raus bekomme, ist „Merci!“. Dann gehen wir zurück zu unserem Platz. Wir nehmen noch ein letztes Getränk zu uns. Um uns wuseln die Jungs herum, packen ihre Instrumente ein und stellen brav das Mobiliar des Cafés zurück an ihren ursprünglichen Platz. Ab und zu lächeln sie schüchtern zu uns herüber. Mitten im Gespräch, es geht gerade um Haustiere, halte ich erschrocken inne. „Karen, jetzt haben wir zwei CDs gekauft, ich habe aber mein Bier noch nicht bezahlt!“ Mein Geldbeutel ist leer. 20 Euro für die CDs und das Klimpergeld ist in den Hut gewandert. Wir machen Kassensturz. Am Ende leiht mir Peggy das Geld für meine zwei Bier…

Wir ziehen unsere Jacken an und gehen nach draußen. Da steht der dunkelblaue Transporter der Band mit französischem Nummernschild. Morgen spielen sie schon in einer ganz anderen Stadt. Total begeistert von dem Abend schmieden wir schon Pläne für unser nächstes Konzert. Die Tür des Cafés geht auf und die Band kommt heraus. „Bye!“, rufen die Jungs uns zu und steigen ins Auto. „Aber jetzt, letzte Chance!“, denke ich und möchte mit meinem Wissen brillieren. „Tschüßiii!“, rufe ich laut und weg sind sie…

Auch den ganzen Weg nach Hause spreche ich noch fließend Französisch und zu Hause nehme ich mir vor, auf Facebook einen netten Kommentar bezüglich des Konzertes zu hinterlassen. Richtige Zeitform, witzig formuliert, grammatikalisch 1a. Am nächsten Tag sehe ich, dass es doch bei einem deutschen Post geblieben ist, worüber ich im Nachhinein sehr froh bin…

Ich klappe den Laptop zu und schnüffle an meinem Oberteil. „Irgendwie riechen meine Klamotten nach Fritteuse!“, schreibe ich Peggy und Karen. „Nicht nur bei dir!“, antwortet Karen. „Die wandern nachher gleich in die Wäsche!“

Vielen Dank für dieses tolle Konzert und meine nette Begleitung. Coming Soon – hoffentlich bald wieder in der Georg-Schwarz-Straße!!!

3 Worte von Karen: Familiär, entspannt, gemütlich.

(Text: Helena Mohr/ Fotos: Jendrik Kleinert)


Nachricht vom 19.02.2013
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