Denkwerkstatt geht neue Wege

05.02.2013

Bildinhalt: Denkwerkstatt geht neue Wege  | Mitglieder der Denkwerkstatt beim Treffen im Stadtteilladen Leutzsch / Foto: Bert Endruszeit
Mitglieder der Denkwerkstatt beim Treffen im Stadtteilladen Leutzsch / Foto: Bert Endruszeit
 

Leipziger Initiativkreis fordert Umdenken beim Thema "Arbeit für das Gemeinwohl"

Wer sich für einen Verein engagiert, steckt oft viel Zeit in diese ehrenamtliche Arbeit. Hilfestellung gab es jahrelang über den so genannten zweiten Arbeitsmarkt, Arbeitslose konnten für die Vereine wichtige Aufgaben erfüllen. Zunehmend wird das jedoch schwieriger. Hier setzt der Initiativkreis "Denkwerkstatt Gemeinwohlarbeit Leipzig" an.
Sie waren oft die viel zitierten "guten Geister": Arbeitslose packten in vielen Vereinen mit an. Doch diese Form der Beschäftigungsförderung hatte meist einen entscheidenden Haken. Kaum richtig eingearbeitet, mussten die Helfer oft schon nach einem Jahr wieder gehen. Die zeitaufwändige Betreuung und Anleitung dieser "Vereinsmitglieder auf Zeit" mussten die Ehrenamtler leisten. Mittlerweile wurden Förderprogramme gekürzt, Vereinen gelingt es immer schwerer, zusätzliches Personal vom Jobcenter zu bekommen. So genannte Ein-Euro-Jobber würden nicht in jedem Fall alle Aufgaben erfüllen können.
"Wir müssen etwas tun" dachte sich deshalb ein kleiner Kreis unterschiedlichster Leipziger Ehrenamtler und rief die Initiative "Denkwerkstatt Gemeinwohlarbeit Leipzig" ins Leben. Vorausgegangen war eine "Leipziger Resolution der gemeinnützigen Vereine", bei der Vertreter von rund 40 Vereinen Mitte 2012 auf die angespannte Situation aufmerksam machten.

"Leider wurden viele Vereine mittlerweile zu Dienstleistern des Jobcenters degradiert", bedauert Roman Raschke vom Bürgerverein Leutzsch. Es könne nicht sein, dass ehrenamtliche Akteure sich auch noch um das Thema Beschäftigungsförderung kümmern müssen. Das Jobcenter mache es sich da sehr einfach. "Doch wir sind weder Sozialarbeiter, noch erhalten wir eine Vergütung für unsere Leistung. Trotzdem sollen wir quasi als Bildungsträger arbeiten." Regelrecht perfide sei es, dass sich Vereine auch noch darum kümmern müssen, ihre mühevoll zugeteilten Helfer möglichst schnell wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, so Michael Reinhardt vom Bürgerverein Schönefeld. "Denn wir wollen diese Menschen doch in unseren Vereinen halten." Jeder Verein freue sich, wenn vom Jobcenter eine Hilfskraft bereitgestellt werde. Doch kaum habe die richtig losgelegt, müssten sich die Ehrenamtlichen darum kümmern, sie schnell wieder loszuwerden. "Wenn möglich auch noch entsprechend qualifiziert", so Reinhardt. Zudem wisse kaum jemand, dass die ohnehin finanziell schlecht gestellten Vereine oft lange auf zugesicherte Gelder für ihre geförderten Arbeitskräfte warten müssen. "Das Geld für den letzten Einsatzmonat gibt es erst, wenn alles abgewickelt und geprüft ist", ärgert sich Reinhardt. Die Folge: Vereine müssten in Vorleistung gehen oder den Arbeitnehmer finanziell hängen lassen. "Oft warten wir bis zu einem halben Jahr auf das letzte Gehalt vom Jobcenter", berichtet Hansgeorg Herold vom Bürgerverein Gohlis.

Thomas Schleif vom "Fußballverband Stadt Leipzig" ärgert sich darüber, dass die bis 2012 über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angestellten Platzwarte gehen mussten. "Doch Ein-Euro-Jobs sind keine Alternative", betont er. Die Betroffenen dürften nur 30 Prozent der früheren Arbeitsleistung erbringen. "Und jeder benötigt einen eigenen Anleiter, doch wer soll sich darum kümmern?"
Eine Lösung für diese Probleme haben die Mitstreiter der Denkwerkstatt schon im Blick. Es sei besser, Vereine als echte Arbeitgeber zu sehen und nicht wie bisher nur als Träger von Maßnahmen, heißt es. Auf diese Weise könnten die Betroffenen eine dauerhafte berufliche Perspektive in den Vereinen finden und nicht nur zeitlich begrenzte Angebote. "Vereine sollten künftig als eigenständige Akteure auf dem Arbeitsmarkt auftreten", fordert Manfred Laske vom Fußballverband. "Der gemeinnützige Sektor der Gesellschaft muss gestärkt und die Vielfalt der Vereine erhalten werden." Laske weiß, dass sich dies nicht einfach so anweisen lässt. "Hier muss ein echtes Umdenken einsetzen." Doch genau dafür sei der neue Initiativkreis ja geschaffen worden. Der begriff "Arbeit" dürfe nicht länger nur auf Erwerbsarbeit reduziert werden. "Jede Form von Arbeit muss sich an ihrem gesellschaftlichen Nutzen messen, über diesen sind dann auch gemeinnützige Tätigkeiten zu honorieren", heißt es in der "Leipziger Resolution".

Finanziert werden könne so etwas über einen noch zu schaffenden "Gemeinwohlfonds". "Statt bei Entlassungen Abfindungen zu zahlen, könnte dieses Geld an ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen fließen, das dort dem Betroffenen wieder eine Arbeit gibt", erklärt Raschke. Dieses Modell gebe es bereits in Holland.

Hilfreich für die mehr als 600 Leipziger Verein könnte darüberhinaus ein Ehrenamtsbeauftragter beim Oberbürgermeister sein. "Der soll aber nicht etwa die Vereine anleiten, sondern er soll im Sinne der Vereine die Handlungen der Ämter koordinieren", findet Reinhardt. Dann könne es nicht mehr passieren, dass ein Amt gegen das andere arbeite.

Text von Bert Endruszeit

Info: Neue Mitstreiter sind in der Denkwerkstatt immer gern gesehen. Kontakt per E-Mail an denkwerkstatt-leipzig@gmx.de oder per Telefon unter 0162 9229372. Mit der Zukunft der Gemeinwohlarbeit werden sich eine neue Veranstaltungsreihe der Volkshochschule sowie eine für September dieses Jahres geplante Konferenz beschäftigen.

Leipziger Volkszeitung, vom 04.02.2013


Nachricht vom 05.02.2013
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