Doppelmoppel in Leutzsch
30.07.2012
- Die neue alte Gedenktafel für Ex-OBM Goerdeler / Foto: Enrico Engelhardt
Von einigen Irritationen um die neue Gedenktafel am früheren Wohnhaus von Ex-Oberbürgermeister Goerdeler
Bei der LVZ-Lektüre letzten Samstagmorgen fiel dem SPD-geprägten Leutzscher Bevölkerungsteil fast die Kaffeetasse aus der Hand: Der CDU-geprägte Leutzscher Teil - in persona von Landtagsabgeordneten Sebastian Gemkow und Stadtbezirksbeirat Karl Placht - präsentierte sich stolz wie Bolle mit einer neuen Erinnerungstafel für den früheren Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler vor dessen einstigem Wohnhaus Rathenaustraße 23. Goerdeler (1884-1945) war am Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 maßgeblich beteiligt, dann verraten und hingerichtet worden. Und nun hatten die Christdemokraten in Altwest für eine neue Metalltafel gesorgt - und just am 20. Juli enthüllt.
Nur: "Erst zwei Wochen zuvor hatten auch wir an gleicher Stelle eine neue Gedenkplatte angeschraubt!", erzählt ein völlig perplexer SPD-Stadtrat Christian Schulze.
Ups. Ein "Attentat" des politischen Gegners?
"Soweit würde ich nicht gehen", mutmaßte Schulze. "Das haben wir nicht gewusst", beschwor Gemkow-Mitarbeiter Sebastian Schaar. Und beide Seiten bewegte: "Wie konnte das passieren?" Im Laufe dieser Woche nun die Rekonstruktion des Tathergangs.
Bekannt ist: An der Leutzscher Goerdeler-Villa gibt es vor Jahren schon einmal eine Gedenktafel aus Glas, gesponsert von KPGM unter Federführung von Niederlassungsleiter Georg Flascha. Und die ist irgendwann kaputt. CDU-Beirat Plach geht spazieren, sieht's, ist bewegt, schreibt voriges Jahr an Oberbürgermeister Jung (SPD) einen Brief, erhält die Antwort "Kein Geld", sammelt daraufhin mit Beistand von Gemkow und CDU-Stadtrat Volker Richert selbiges selbst. Man beauftragt zwecks Anfertigung eine Firma und spricht sich mit dem "sehr entgegenkommenden" heutigen privaten Besitzer der Villa ab, dass man alsbald eine schöne neue metallene Gedenktafel anbringen werde. Das geschieht am 20. Juli feierlich, mit etwas LVZ-Presse.
Bis dato nicht bekannt war: Auch die Leutzscherin Karin Reinicke tourt seinerzeit durchs Viertel, entdeckt die ruinierte Tafel, bemüht sich mit Beistand von SPD-Beirat Schulze um Ersatz. Wobei zutage kommt - bei KPGM schlummert glücklicherweise noch eine Duplikat-Platte. In Absprache mit dem "sehr freundlichen Hausbesitzer" wird vereinbart, sie alsbald anzubringen. Das geschieht - wie ein digitaler Fotobeweis der Reinickes belegt - am 4. Juli feierlich, ohne Presse.
Ermittelt wurde: Offenbar, so Schulzes Recherche, hatte der freundliche Hausbesitzer bislang nicht geahnt, dass hier im wahrsten Sinne des Wortes zwei Parteien am Werke waren. "Als wir unsere Glasplatte anschraubten, hatte er das offenbar für ein Provisorium gehalten. Und sich nicht weiter gewundert, als dann die CDU-beauftragte Firma kam, es abnahm und die Metalltafel anheftete."
"Naja, die Tafel der CDU Altwest ist natürlich kompakter", bekennt Schulze. "Die Tafel der SPD Altwest ist sehr schön gestaltet", sagt Schaar. "Und selbstverständlich - die SPD war zuerst da. Wir schrauben unsere wieder ab." Der Wechsel ist jetzt auch erfolgt. Eine sportliche Geste zum Beginn von Olympia.
Und gut fürs Andenken an Goerdeler nun ist: Sollte den Genossen mal wieder was zu Bruch gehen, haben diesbezüglich eben die Christdemokraten noch was in Reserve.
Text von Angelika Raulien
Leipziger Volkszeitung vom 27.07.2012