Selig über "Dreiklang"

11.07.2012

Bildinhalt: Selig über "Dreiklang"  | Hans-Christoph Runne / Foto: André Kempner
Hans-Christoph Runne / Foto: André Kempner
 

Landesbischof verabschiedet morgen Hans-Christoph Runne in den Ruhestand

Morgen wird Landesbischof Jochen Bohl ins Evangelisch-Lutherische Diakonissenhaus nach Leipzig kommen. Pfarrer Hans-Christoph Runne, Rektor und Geschäftsführer, soll in den Ruhestand verabschiedet werden. Wobei er wiederum nicht in den Ruhestand geht.
Runne, nunmehr über 40 Jahre in kirchlichen Diensten - er war unter anderem Pfarrer für Rückmarsdorf, Frankenheim und Lindennaundorf - geht genau genommen in den Ruhestand und doch nicht in den Ruhestand. Er lächelt und erklärt: "Pfarrer werden dienstrechtlich mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand versetzt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und so werde ich jetzt also vom Dienstauftrag eines Pfarrers entpflichtet. Alles, was ich fortan diesbezüglich mache, geschieht unter Anrechnung auf die Ruhestandsbezüge weitestgehend ehrenamtlich. Das Gute daran ist, ich könnte dann auch mal Nein zu etwas sagen. Nur, was der Mensch nun mal ist, das bleibt er auch."
Den Job als Geschäftsführer und Rektor des Diakonissenkrankenhauses, wo er zugleich für die zwölfköpfige Gemeinschaft der Diakonissen zuständig ist, wird er jedenfalls noch ein bissel weiter machen müssen. "Von der Vakanzvertretung werde ich erst entbunden, wenn ein Nachfolger gefunden ist", sagt er. Die ersten Kandidaten hätten sich zwar bereits gestern dem Aufsichtsrat präsentiert. "Ich denke aber, vor Ostern nächsten Jahres ist der Übergang nicht zu schaffen."
Runne hat im traditionell per Doppelspitze gelenkten Krankenhaus im Laufe der Zeit vier kaufmännische und einen ärztlichen Kollegen in Folge an seiner Seite erlebt. Er selbst war zunächst 1993 auf den Rektor-Posten ins Diakonissenhaus berufen worden, das er immerhin "kannte": Der Vater war hier von 1951 bis 1978 Chefarzt. Und selbst wiederum hatte er hier als Rückmarsdorfer Pfarrer Erntedankgaben in die Küche geliefert.
1993, erzählt er, habe noch der evangelische Diakonissenhausverein die Heilstätte betrieben. Als sie dann 1995 in eine selbstständige Gesellschaft ausgegliedert wurde, kam es eben zur Berufung eines theologischen und eines kaufmännischen Geschäftsführers. Hintergrund des Ganzen: Die seinerzeit dringend gebotene bauliche Erneuerung des Hauses bedurfte solch enormer Summen und Sicherheiten, die ein Verein nie hätte stemmen können. "Und als gemeinnützige GmbH haben wir dann ja auch seit 1995 unterbrochen nur bauen und modernisieren müssen. Was nicht zuletzt ein ständig wachsendes Leistungsspektrum zeitigte. Beispielsweise war unsere Notaufnahme ursprünglich für 10000 Patienten im Jahr konzipiert, mittlerweile sind über 17000 zu versorgen. Also müssen hier schon wieder räumliche Veränderungen her, was wir mittlerweile auch alleine schultern müssen, dafür gibt es keinen Förder-Cent mehr."
Manch' andere neue bauliche Hülle auf dem herrlich parkigen Gelände hatte sich nach 1990 überdies erforderlich gemacht, weil 2005 die einstige Connewitzer Bethanien-Klinik mit am Leutzscher Standort einzog. "Ein Kuriosum", wie Runne anmerkt. "Es ist ja bis heute die einzige Belegklinik Sachsens." Nicht zuletzt begab sich Leipzigs Diakonissenkrankenhaus 2008 mit unters Dach der gemeinnützigen edia.con-Gesellschaft. "Eine Stärkung diakonischer Einrichtungen, die für sich allein heutzutage eher nicht die Chance hätten zu überleben", ist Runne noch immer überzeugt, wenngleich man vor Ort durchaus sein eigener Herr geblieben sei.
In der Rückschau sind es wohl vor allem zwei Dinge, an die sich der Pfarrer "mit Grausen" erinnert: an einen Fast-Ruin und an ein "unabwendbares" Aus. Ersteres betrifft den Ausgang der Pflegesatzverhandlungen 1994 mit den Kostenträgern, insbesondere der AOK. "Pflegesatzabhängigkeit waren wir ja schon gewohnt, weil es für konfessionelle Krankenhäuser zu DDR-Zeiten bei der Regierung in Berlin nur ein zentrales Budget gab. Aber so etwas wie 1994 - also das war ganz schlimm. Das hat uns an den Rand des Zusammenbruchs geführt, hätte uns die Diakoniefördergesellschaft nicht betriebswirtschaftlich beigestanden. Das zog aber auch radikale Änderungen in unserer Wirtschaftsführung nach sich. Unter anderem wurden Wäscherei, Küche, Reinigung, Radiologie, Labor und Apotheke ausgegliedert, wobei wir heute alle an diesem Standort bestens kooperieren. Es gelingt uns, glaube ich, mittlerweile sehr gut, das ,Wunder der Betriebswirtschaft', Professionalität und Konfessionalität als Dreiklang in unserem Haus zu vereinen. Wir gehören seither auch zu den wenigen Krankenhäusern, die mehr als nur eine schwarze Null schreiben", sagt Runne.
Kein Happy End gab's am christlichen Haus hingegen für die geburtshilfliche Abteilung, die, wie berichtet, im Vorjahr für immer schloss. "Das tat sehr weh. Da fielen Worte wie Profitgeier und dergleichen. Aber es war eine Entscheidung zugunsten von Mutter und Kind. Ihre Versorgungssicherheit war schlicht nicht mehr zu garantieren, da musste gehandelt werden. Wir waren - in der Rechtsform ,Belegklinik' - als solche auf niedergelassene Ärzte angewiesen, eine Umwandlung in eine geburtshilfliche Hauptabteilung war aussichtslos."
Immerhin - mit dem "Ihr Kinderlein, kommet" soll es nun so gen Ende seiner Geschäftsführerära dennoch nicht ganz vorbei sein: Ein im Bau befindlicher betriebsnaher Kindergarten auf dem Gelände des Diakonissenhauses wird im Oktober fertig und dann 60 Knirpse aufnehmen. Größtenteils wird es der Nachwuchs der rund 500 Beschäftigten des Leutzscher Krankenhauses sein. Er freue sich, so Runne, dass er ihn nun nach Lage der Dinge noch mit eröffnen kann.

Text von Angelika Raulien

Zur Person:

Hans-Christoph Runne wurde am 18. Juli 1947 in Dresden geboren. Die Familie kam 1952 nach Leipzig, hier besuchte er die Thomasschule, studierte Theologie, wurde 1973 Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und war als solcher bis 1992 für Rückmarsdorf, Lindennaundorf und Frankenheim tätig. 1993 dann wurde er Rektor des Leipziger Diakonissenhausvereins, 1995 auch Geschäftsführer der neuen Diakonissenkrankenhaus gGmbH. Runne ist seit 1995 Mitglied im Verwaltungsrat Diakonisches Werk Innere Mission Leipzig und seit 2004 steht er an der Spitze des Evangelischen Krankenhausverbandes Sachsen. Seit mehr als vier Jahrzehnten mit Ehefrau Dagmar verheiratet, hat er zwei erwachsene Töchter und vier Enkel. Wenn er morgen um 11 Uhr im Diakonissenhaus von Landesbischof Bohl verabschiedet wird, mag er keine Blümchen oder Geschenke, erbittet viel lieber eine Spende zur medizinischen Behandlung von Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten, der sich das Diakonissenkrankenhaus seit Jahren verschrieben hat.

Text von Angelika Raulien

Leipziger Volkszeitung, vom 11.07.2012


Nachricht vom 11.07.2012
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