Mut zur Nische - Siegrid Müller und ihr Weg ins Kurzwarengeschäft
04.05.2012
- Siegrid Müller in ihrem Laden / Foto von Enrico Engelhardt
Immer wieder werden sie gefordert, die Kurzwaren. Bürgerinnen und Bürger aus Lindenau und Leutzsch, vor allem die, die in der Georg-Schwarz-Straße leben, vermissen ein Kurzwarenangebot. Dabei gibt es seit Oktober 2011 einen Laden, der diese Nachfrage befriedigen kann. "Stoff-Kreationen" heißt das Geschäft und befindet sich in der Calvisusstraße 23, an der Ecke zur Georg-Schwarz-Straße.
Die Inhaberin Siegrid Müller hat den Laden im Alleingang hochgezogen. Das Unternehmen gibt es schon etwas länger. Sie führt dazu mit ruhiger Stimme aus:
"2006 habe ich Stoff-Kreationen gegründet, erst einmal nur als Onlinehandel. Aber dann habe ich in der Lützner Straße den ersten Laden gehabt. Ich bin dann 2008 mit dem Online-Geschäft in die Großmannstraße umgezogen, weil sich das Angebot erweitert hat und ich Lager und Wohnung unter einem Dach haben wollte. Aber auch dort wurde es mir bald zu eng. Da habe ich jetzt nur noch mein Büro. Da passte es gut, dass hier an der Georg-Schwarz-Straße der Laden frei war."
Den Laden habe sie über das Internet entdeckt, wo er angeboten wurde. Sie hat sich dann mit dem Vermieter verständigt und dadurch, dass sie die Renovierung selbst übernommen habe, zahle sie einen relativ günstigen Mietpreis.
Siegrid Müller ist keine gelernte Schneiderin. Aus dem Buchhaltungs- und Lohnabrechnungsgewerbe stammt sie ursprünglich. Aber aus gesundheitlichen Gründen musste sie diesem Berufszweig Lebewohl sagen. Da sie schon früher ein Interesse an Handarbeiten hatte und nun die Möglichkeit sah sich beruflich zu verändern, ging sie dieser Leidenschaft nach und ist sich sicher dies als zweites Standbein bis zur Rente machen zu wollen. Siegrid Müller ist eine Autodidaktin. Fast entschuldigend erklärt sie:
"Ich habe von Null angefangen und mir alles selbst beigebracht, auch online. Das merkt man vielleicht auch an meiner Internetseite. Die Fotos, die man dort findet, habe ich alle selbst gemacht. Ich habe ja auch keine Fotoausbildung. Aber den Leuten scheint es zu gefallen. Denn der Internethandel läuft sehr gut, viel besser als der Laden."
Dass der Onlinehandel ihr Hauptgeschäftszweig ist und sie den Laden eher als zusätzlichen Service vor Ort sieht, macht Siegrid Müller auch noch einmal deutlich, wenn sie von den KundInnen spricht, die bei ihr einkaufen:
"Mein Angebot ist vor allem an den Wochenenden für die Gäste des Hotels interessant, das in der Georg-Schwarz-Straße ist. Hotelgäste konnte ich hier schon eher begrüßen als AnwohnerInnen. Ansonsten habe ich einen großen Kundenstamm in ganz Deutschland, vor allem konzentriert im Berliner und Hamburger Raum, aber auch in Bayern. Auch aus dem Ausland kaufen Kunden und Kundinnen bei mir ein, nicht nur aus Österreich oder aus der Schweiz, sondern auch aus Schweden und Japan."
Um den Onlineversandhandel zu bewältigen, hat Siegrid Müller seit Februar 2012 Frau Weigelt angestellt. Durch die Entlastung, die sie mit der neuen Angestellten erfährt, hofft die Ladeninhaberin, sich fortan mehr dem Verkauf vor Ort widmen zu können. Auch möchte sie gern selbst kleine Sachen nähen und damit ihr Angebot erweitern, denn im Moment bietet sie eher das Zubehör zum Nähen an.
Was sie von anderen Kurzwaren- und Stoffläden unterscheidet, ist zudem ihre Spezialisierung auf Naturstoffe. So sind Stoffe aus Leinen und Baumwolle das dominierende Angebot. Die Fokussierung auf Naturstoffe habe sie ihren ersten Kundinnen, damals noch in der Lützner Straße, zu verdanken. Sie erinnert sich zurück an ihre Anfangszeit:
"Es wird ja immer gesagt, junge Leute nähen nicht mehr. Aber das hat sich gewandelt, mit einem richtigen Boom. Da kamen junge Kundinnen damals in meinen Laden und haben mir erzählt, sie hätten Probleme mit den Allergien ihrer Kinder. Die seien auf Chemie in den Stoffen zurückzuführen. Sie wollten also mal andere Stoffe ausprobieren zum Nähen. Meinem Rat folgend, stiegen sie auf Naturfaser um. Das wurde gut angenommen."
Für Siegrid Müller haben diese Begegnungen den Ausschlag gegeben, in dem Segment zu bleiben. Etwas schüchtern fügt sie hinzu:
"Die Naturfaser-Artikel sind auch nicht so der Mode unterworfen. Das war meine Intention. Die kann falsch sein. Das weiß man nicht. Aber ich möchte daran festhalten."
Dass sie vor Ort noch nicht den ganz großen Kundenstamm anziehen konnte, liegt ihres Erachtens auch an der Spezialisierung auf die Naturstoffe-Nische. Dafür gäbe es nur einen begrenzten Kundenkreis hier in der Gegend, merkt sie an. Zudem sind ihre Preise eher im mittleren Niveau angesiedelt. Das läge aber auch an ihrem Angebot, da Naturstoffe nicht so günstig zu haben seien. Dennoch ist sie optimistisch, dass sich das Kundenklientel weiter entwickeln wird. Dass es nach fast zwei Jahren vor Ort im Geschäft immer noch etwas schleppend läuft, liegt für sie auch an der Umgebung.
"Was die architektonische Erschließung angeht, ist das hier eindeutig der schwierigste Teil der Georg-Schwarz-Straße. Es fehlen Ladengeschäfte zwischen mir und dem vorderen Teil der Straße bzw. bis hoch zur Wielandstraße. An der Schule wird es dann wieder besser. Vor meinem Laden habe ich ja auch mit Verunreinigungen zu kämpfen, vor allem durch Hunde. Dann sind da noch die Trinker, die sich hier vor dem Laden aufhalten. Die tun mir auch leid. Aber Kunden fühlen sich da schon abgeschreckt. Was soll man sagen. Das sind Probleme, die gibt es überall in der Stadt. Und dann kommt auch bald der Sommer. Der ist arbeitsmäßig eher Saure-Gurken-Zeit. Da muss man durchhalten, bis zum Schulanfang."
Trotzdem wolle sie nichts schlecht reden. Das Viertel sei, ähnlich wie ihr Laden auch, einer ständigen Veränderung unterworfen. Die sympathische Siegrid Müller fasst denn auch schnell wieder neuen Mut:
"Ach, aber das wird schon alles noch werden. Ich bin hier in der Ecke ganz gerne. Vieles entwickelt sich gerade auch noch. Und man ist hier auch schnell im Grünen. Es gibt schöne Radwege auch zum Clara-Zetkin-Park und zum Cospudener See. Von daher ist es eine angenehme Wohngegend. Ja, ich bin hier gern."
Als neues Angebot bietet sie neben den üblichen Spitzen, Borten und Bändern in ihrem Laden auch bald Schnittmuster für Personen an, die eher kräftig gebaut sind. Dabei arbeitet sie mit einer Firma zusammen, die Maß- und Zwischenmaßschnitte herstellt. Direkt bei ihr im Laden können die Maße genommen werden, woraufhin ein Maßschnitt aus Nesselstoff von der Firma hergestellt wird und wenn dieser passt, dann bekommt der Kunde oder die Kundin den Maßschnitt zum selber nähen.
Auch auf dem Georg-Schwarz-Straßenfest am 12. Mai 2012 wird Siegrid Müller mit einem Stand vertreten sein. Vom Erlös, den sie dort einnimmt, möchte sie gern ein wohltätiges Projekt unterstützen. Etwas für Kinder zu tun, ist ihr besonders wichtig:
"Ich engagiere mich gern für Kinder. Kinder sind das Leben der Gesellschaft und da ich selbst drei Kinder und zwei Enkel habe, ist es mir wichtig, dass ich das Geld an einen Verein gebe, der etwas für Kinder tut. Der Verein Straßenkinder e.V. ist so ein Verein. Er kümmert sich um obdachlose Kinder und Jugendliche. Eine Kundin hat mich darauf aufmerksam gemacht. Es wäre schön, wenn da ein bisschen was zusammenkommt. Man wird sehen."
Egal ob beim Straßenfest, auf der Internetseite oder im Ladengeschäft selbst, ein Besuch bei Stoff-Kreationen von Siegrid Müller lohnt sich. Und selbst wenn einem nur ein Knopf oder ein Reißverschluss fehlt. An Kurzwaren fehlt es in der Georg-Schwarz-Straße ganz sicher nicht mehr.
Stoff-Kreationen – Naturtextilien und mehr
Adresse:
Calvisiusstraße 23
04177 Leipzig
Kontakt:
Tel.: 0341 47 93 03 6
Mobil: 0177 78 39 88 1
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