Erstes Ausbauhaus für Lindenau Verein "Haushalten" geht mit neuem Modell an den Start
17.02.2012
- Foto: André Kempner
Ana und Anika packen kräftig mit an: Auch sie werden bis Sommer in das Ausbauhaus einziehen.
Lindenau
Nach dem Erfolg der Wächterhäuser geht der Verein "Haushalten" nun mit einem neuen Modell an den Start: das Ausbauhaus. Statt fünf Jahre über ein Haus zu wachen, sollen Nutzer die Flächen nun selbst ausbauen und langfristig mieten können. Zwei dieser Ausbauhäuser, eines im Leipziger Osten, eines im Westen, gibt es bereits.
Seit fünf Jahren steht der Altbau in der Merseburger Straße 88b leer. Grund dafür sind nicht zuletzt die viel befahrene Bundesstraße und das für viele wenig attraktive Viertel. Sicher würde eine Vollsanierung die Chancen, das Objekt vermieten zu können, erhöhen. "Die Kosten dafür wären über die Miete kaum einzuspielen", weiß Uwe Lotan, Diplom-Ingenieur für Architektur und im Verein für das Modell Ausbauhaus zuständig.
Noch ist der Zustand des Gebäudes gut, bleibt es jedoch weiterhin ungenutzt, droht der Verfall eines weiteren Hauses von städtebaulichem, denkmalpflegerischem und kulturellem Wert. "Wir gehen auf Eigentümer zu, deren Objekte in Frage kommen und stellen ihnen das Modell vor", erläutert Lotan. "Gleichzeitig können sich interessierte Ausbauer bei uns melden. Exposés findet man auf unserer Internetseite. Wir bringen beide Parteien dann zusammen."
Florian Betsch ist so ein Ausbauer. Er hat sich extra eine Woche Urlaub genommen, um rund um die Uhr auf der Baustelle sein zu können. Denn spätestens im Sommer möchte der 31-jährige Informatiker, der bisher in einer Wohngemeinschaft in Plagwitz wohnt, einziehen. "Ich finde die Idee toll. Ich kann den Wohnraum selbst gestalten und mit vielen Leuten zusammenleben, die ich mag." Beides sei in einem normalen Mietshaus kaum möglich. Abgesehen davon, sei die finanzielle Last kaum zu stemmen. Gemeinsam mit dem Eigentümer haben die 15 Ausbauer einen unbefristeten Mietvertrag ausgehandelt - Kaltmiete: 2,50 Euro. Dafür übernehmen Betsch und seine Freunde den Innenausbau. Heizung, Elektrik, Fenster, Fassade und Dach sind bereits in einem akzeptablen Zustand. "Bei allen baulichen Veränderungen halten wir Rücksprache mit dem Eigentümer. Das funktioniert."
Der Ausbau schreitet seit Januar voran, der erste Bautopf ist mit 5000 Euro gefüllt. In jeder der drei Etagen pinnen Zettel an den Türen. Darauf steht, was noch gemacht werden muss. Denn alle bauen gemeinsam, niemand nur seine Wohnung aus. "Wir verbinden die Wohnungen auf den Etagen miteinander." Sicher sei auch, dass die Truppe die Ladenfläche im Erdgeschoss reaktivieren möchte. "Es wird ein Mix aus Volksküche, Lebensmittelkooperation und Nachhilfe. Wir sind aber auch offen für Ideen."
Eigentümern sichere das Modell langfristig stabile Mieteinnahmen und eine Wertsteigerung bei vergleichsweise geringem Investitionsaufwand, betont Lotan. "Durch die Eigenleistung binden sich die Ausbauer langfristig und entwickeln eine gewisse Sorgfalt." Positiver Nebeneffekt sei die Belebung des Viertels. "Es entstehen neue Nachbarschaften, es kommen Leute, die sich hier sonst nie angesiedelt hätten."
Die Rolle des Vereines beschreibt Lotan so: "Wir können durch das Netzwerk Hilfen zur Seite stellen, was die Planung, die Absprache mit den Mietern oder die Verwaltung nach Inbetriebnahme betrifft." Ende Februar sollen weitere Ausbauhäuser hinzukommen, verspricht der Architekt.
Uta Zangemeister
@www.haushalten.org
Leipziger Volkszeitung, Beilage Stadtleben Nord vom 17.2.2012