Christliche FĂĽrsorge am Abgrund
26.05.2017
Buchvorstellung im Diakonissenkrankenhaus (Andachtsraum) am 1.6.2017
Das Buch „Nun ließe sich viel erzählen von all den Tagesereignissen …“: Kommentierte Chronik des Katharinenhofs Großhennersdorf 1934-1941 Aufzeichnungen der Diakonisse Getrud Oberlein. Der Katharinenhof war eine sächsische Pflegeanstalt für (psychisch) behinderte Kinder, die im Nationalsozialismus ausgegrenzt, teilweise zwangssterilisiert und letztendlich größtenteils der NS-"Euthanasie" zum Opfer fielen.
Der in der Oberlausitz gelegene Katharinenhof Großhennersdorf ist die älteste sächsische Heil- und Pflegeanstalt für Kinder mit geistigen Behinderungen. Hier taten in früheren Zeiten zahlreiche Diakonissen aus dem Leipziger Raum ihren pflegerischen Dienst – auch in der Zeit des Nationalsozialismus, in der ein Großteil der dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen dem tödlichen Euthanasie-Programm „T4“ zum Opfer fielen. Die persönlichen Erinnerungen der Schwester Gertrud Oberlein wurden soeben in einer kommentierten Chronik veröffentlicht, die am 1. Juni 2017 im Leipziger Diakonissenkrankenhaus der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die Präsentation findet ab 18 Uhr im Andachtsraum (Georg-Schwarz-Straße 49) statt, der Eintritt ist frei.
Die zu Beginn des Jahres von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten herausgegebene Publikation trägt den Titel „Nun ließe sich viel erzählen von all den Tagesereignissen …“ und fasst die Geschehnisse im Katharinenhof von 1934 bis 1941 zusammen. Die aus dieser Zeit stammenden chronologischen Aufzeichnungen der aus Borsdorf stammenden Diakonisse Gertrud Oberlein wurden von den Herausgebern des vorliegenden Buches bearbeitet und kommentiert – von den Historikern Dr. Boris Böhm und Hagen Markwardt von der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein sowie von Dr. Jürgen Trogisch, der von 1970 bis 1991 als Leitender Kinderarzt im Katharinenhof tätig war.
Was wussten die aus dem Borsdorfer Mutterhaus entsandten Diakonissen, die Anstaltsärzte und der christliche Trägerverein über die geplanten Zwangssterilisationen und Tötungen? Wer half möglicherweise den Kindern in ihrer Not und wer teilte die NS-Ideologie der „Erbgesundheitspflege“? In der Art eines dienstlichen Tagebuchs geben die erst vor wenigen Jahren entdeckten Aufzeichnungen nüchtern Auskunft über einen Zeitraum, der für die Diakonissen 1934 mit einem pflegerischen Auftrag begann und sechs Jahre später mit dem Abtransport aller in Obhut befindlichen Kinder endete.
Die Buchvorstellung im Leipziger Diakonissenkrankenhauses liegt in doppelter Hinsicht nahe. Zum einen bestehen von hier enge Verbindungen zum Borsdorfer Mutterhaus. Zum anderen wird die Geschichte des Ev.-Luth. Diakonissenhauses Leipzig derzeit ebenfalls präzise aufgearbeitet und dabei auch ein besonderer Fokus auf die nationalsozialistische Vergangenheit gelegt. So ist bereits bekannt, dass eine Leipziger Diakonisse aufgrund einer psychischen Erkrankung ebenfalls dem Euthanasieprogramm „T4“ zum Opfer fiel.
„Die vorliegende Chronik des Katharinenhofs ist ein wertvolles Zeitzeugnis über ein besonders dunkles Kapitel deutscher Geschichte“, sagt Dr. Michael Kühne als Rektor des Diakonissenhauses Leipzig. „Die Veröffentlichung zeigt einmal mehr, wie eine menschenverachtende Ideologie damals auch vor christlichen Einrichtungen nicht Halt machte. Im Gedenken an die Opfer ist es gerade heute unsere gemeinsame Pflicht, dafür einzustehen, dass in unserem Land nie wieder Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder ihrer gesundheitlichen Verfassung ausgegrenzt oder gar verfolgt werden.“
Auf einen Blick:
„Nun ließe sich viel erzählen von all den Tagesereignissen …“
Kommentierte Chronik des Katharinenhofs Großhennersdorf 1934 – 1941
Bearbeitet von Boris Böhm, Hagen Markwardt und Jürgen Trogisch
Heft 25 der Reihe „Lebenszeugnisse – Leidenswege“ der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dresden, 2017 – ISBN 978-3-934382-28-2
Nachricht vom 26.05.2017
Autor: S. Ruccius