Zu Besuch bei Obdachlosen Übernachtungshaus für wohnungslose Männer lädt zum Tag der offenen Tür
08.09.2011
- Mitarbeiterin Simone Winkel erläutert Sozialbürgermeister Thomas Fabian die Arbeit. Foto: A. Kempner
"So kurz wie möglich, so lange wie nötig." - Unter diesem Motto bieten die Mitarbeiter des Übernachtungshauses für wohnungslose Männer in der Rückmarsdorfer Straße Obdachlosen ein Bett für die Nacht an. Gestern lud die Wohnungslosenhilfe interessierte Leipziger zu einem Tag der offenen Tür.
Gestern beim Tag der offenen Tür im Übernachtungshaus für wohnungslose Männer: Bei seinem Rundgang durch das Gebäude bleibt Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) in einem Aufenthaltsraum vor einem bunten Wandbild stehen. "Ziemlich modern ist das", findet der Politiker. Hausherrin Evelin Balogh antwortet: "Das Bild hat einer unser ehemaligen Zivis gemalt."
Bürgermeister Fabian ist zufrieden: "Die Wohnungslosenhilfe leistet wichtige Arbeit und bietet Menschen in schwierigen Lebenssituationen ein Dach über dem Kopf und Hilfe." Dann muss er weiter zum nächsten Termin.
Alle zwei Jahre veranstaltet das Obdachlosenheim einen Tag der offenen Tür. Es ist ein spätes Sommerfest im Hinterhof, das Wetter hält, es wird gegrillt, dazu läuft Musik von Johnny Cash. "Wir wollen den Menschen die Berührungsängste nehmen", sagt Leiterin Balogh. 45 Betten in Dreierzimmern bietet das Übernachtungshaus Männern, die ihre Bleibe verloren haben.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche werden wegen Mietschulden geräumt, andere von ihrer Partnerin oder den Eltern auf die Straße gesetzt. Viele haben zudem Probleme, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Die Obdachlosen bekommen in der Rückmarsdorfer Straße daher nicht nur ein Dach über den Kopf. Die Mitarbeiter helfen auch bei der Wohnungssuche, Behördengängen und vermitteln Therapien bei Depressionen, Alkohol- und Drogenproblemen.
Etwas mehr als die Hälfte der "Klienten", wie die Bewohner genannt werden, ziehen bereits nach zwei Wochen wieder aus, einige bleiben jedoch auch bis zu sieben Monate. Ein Zeitlimit gibt es nicht.
Seit das Haus 1993 gegründet wurde, stellen die Mitarbeiter einen Wandel der Klientel fest. "In den letzten Jahren sind die Wohnungslosen immer jünger geworden", erzählt Leiterin Balogh. Die Älteren hätten früher meistens ein geregeltes Leben gehabt, zudem sie zurückfinden könnten. "Doch bei den Jungen fangen wir praktisch bei null an, die haben nie gelernt, wie man ein ordentliches Leben führt."
Im März kam Carl-Friedrich Ellinger im Obdachlosenheim unter, nachdem er bei seiner ehemaligen Freundin ausziehen musste. "Es ist keine Schande, hier zu landen", sagt der 26-Jährige. Vielmehr sei es gut, dass in Leipzig niemand auf der Straße leben muss. Die Mitarbeiter des Übernachtungshauses halfen ihm dabei, Briefe an Behörden zu schreiben und eine Wohnung zu finden. Anfang des Monats hat er schließlich zusammen mit einem anderen ehemaligen Obdachlosen eine Wohngemeinschaft gegründet.
Jan Iven
Leipziger Volkszeitung vom 8. September 2011