Neues Leben in der Mädler-Villa

31.07.2012

Bildinhalt: Neues Leben in der Mädler-Villa  | Die Mädler-Villa in Leutzsch / Foto:  AndrĂ© Kempner
Die Mädler-Villa in Leutzsch / Foto: André Kempner
 

Das einstige Domizil von zwei Geheimdiensten und einer gescheiterten Stadt-Firma wird jetzt wieder von einer Familie bezogen

Wohl kein anderes Gebäude spiegelt Leipzigs wechselvolle Geschichte so wider wie die Mädler-Villa in der Hans-Driesch-Straße 2: Der vom Koffer-Fabrikanten Anton Mädler 1902 als Familiensitz errichtet Prachtbau wurde von der Familie in der Nazi-Zeit aufgegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog der russische Geheimdienst ein und errichtete im Park ein Gefängnis; im Anschluss nistete sich der Staatsssicherheitsdienst der DDR dort ein. Nach der Friedlichen Revolution wurde das Areal zum Firmensitz für den stadteigenen Betrieb für Beschäftigungsförderung hergerichtet, der ebenfalls spektakulär abgewickelt wurde. Jetzt zieht erstmals wieder eine Familie mit fünf Kindern ein.
"Wir wollen im Herbst umziehen", sagt Andras Arens, der das traditionsreiche Gebäude vor einem halben Jahr für rund 1,1 Millionen Euro von der Stadt für seine Firma erworben hat. Der 43-jährige gebürtige Westfale lässt das Haus seit einigen Wochen umbauen. "Im Erdgeschoss werden der historische Musiksaal und der Speisesaal wieder hergerichtet, darüber entstehen Büros und ganz oben wird meine Familie wohnen", skizziert er seine Pläne.
Im Haus sieht es noch karg aus. Auf den insgesamt 900 Quadratmetern Wohnfläche wird wieder das früher vorhandene Eichenstabparkett verlegt, werden Holzintarsien aufgearbeitet und Bleiverglasungen komplettiert. Im herrschaftlichen Eingangsbereich mit dem zwölf Meter hohen Treppenflur ist das aufwendig gestaltete Holzgeländer bereits aufgearbeitet, doch Restauratoren versuchen noch, den ursprünglichen Farbton aufzuspüren. "Es muss ein gelblicher oder gold-bronzefarbener Ton gewesen sein", fasst Arens den aktuellen Ermittlungsstand zusammen. "Wir wollen wieder der gleiche Farbton auftragen lassen, den früher die Mädlers hatten."
Er hat auch Kontakt mit den Nachfahren der Mädlers aufgenommen, um an alte Familienfotos zu gelangen. Denn er will mit ihrer Hilfe Ausstattungsdetails der Villa ausfindig machen, die in den Wirren der Zeit verloren gingen und nachgebaut werden können. "Hier im Eingangsbereich hat vermutlich ein großer Kronleuchter gehangen - aber wir wissen noch nicht, wie er aussah", erzählt der neue Hausherr. Er korrespondiert darüber mit einer Enkeltochter des Kofferfabrikanten Anton Mädler, die er in Baden-Württemberg ausfindig gemacht hat.
Auf die Mädler-Villa war Arens gestoßen, als er mit seiner Familie eine Radtour durch Leutzsch machte. "Wir sind seit 1994 in Leipzig und wohnen in einer Wohnung im Waldstraßenviertel", erzählt der Windkraft-Unternehmer, der 1992 gemeinsam mit zwei Ostdeutschen die Firma Zopf gegründet hat. Sie betreibt mittlerweile 130 Windkraftanlagen in Ostdeutschland und beschäftigt 15 Mitarbeiter; Arens ist Geschäftsführer. "Wir suchten nach Betriebsflächen für die Firma", erzählt der diplomierte Wirtschaftsingenieur. "Als ich die Lagergebäude auf dem Grundstück sah, dachte ich: Das wäre etwas für uns. So eine große Fläche so nahe an der Stadt."
Als er sich bei der Stadtverwaltung erkundigte, erfuhr er, dass die Fläche mit den Lagerhallen früher ein Park war, der zur Mädler-Villa gehörte. Und dass es diese Flächen nur zusammen mit der Villa zu kaufen gibt. "Es gab noch andere Kaufinteressenten", berichtet Arens. "Sie wollten Eigentumswohnungen aus der Villa machen. Das sahen die Denkmalschützer natürlich nicht so gern."
Arens hat andere Pläne und erhielt den Zuschlag, weil er die Villa weitgehend originalgetreu wiederherstellen und die Flächen für seine Umweltfirma nutzen will. "Die beiden großen Veranstaltungsräume im Erdgeschossen wollen wir für Seminare und festliche Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmen-Empfänge vermieten; in die Büros darüber zieht unsere Firma ein." Weil die repräsentativen Räume riesig sind, ist der Sanierungsaufwand hoch. "Die Hälfte des Kaufpreises fließt noch einmal in die Sanierung", sagt der neue Hausherr. Das Dachgeschoss genügt mit seinen 250 Quadratmetern Wohnfläche allen Ansprüchen und ist selbst groß genug, um für jedes seiner fünf Kinder ein eigenes Kinderzimmer zu schaffen.
Völlig neu wird die Energieversorgung organisiert. Der Umwelt-Spezialist will das Gebäude "energieautark" machen: Als Hauptheizung lässt er ein 100-Kilowatt-Hackschnitzel-Heizkraftwerk installieren, das mit geschreddertem Holz befeuert wird. Im riesigen Eingangbereich soll außerdem noch ein Pellet-Ofen als kleine separate Heizanlage stehen. Arens kann sich auch vorstellen, später noch ein Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk zu installieren, um damit Strom und Wärme für sämtliche Gebäude auf dem insgesamt rund 25000 Quadratmeter großen Grundstück zu erzeugen.
Mit den Nebengebäuden hat er ebenfalls Pläne. Dort will er einen Kindergarten für 50 bis 70 Kinder etablieren. "Eine Architektin ist dabei, ein Konzept zu entwickeln", so Arens.
Als ein großer Bürokomplex abgebrochen wurde, der zu DDR-Zeiten entstanden war, kamen die Überreste eines alten Gefängnisses zutage, das der sowjetische Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben hatte (die LVZ berichtete). Arens ließ die Abbrucharbeiten stoppen und rief die Stasi-Experten in der Runden Ecke an, damit sie die Funde dokumentieren konnten. Einen ehemaligen Wachturm, ließ der Wahl-Leipziger nicht abreißen. In dessen vier Etagen will er die wechselhafte Geschichte der Mädler-Villa darstellen und im Dach ein Domizil für geschützte Vögel schaffen.
Tobias Hollitzer, Leiter des Stasi-Museums in der Runden Ecke, findet dieses Engagement gut. "Mit den Mädlers sind die letzten Bürger aus der Villa ausgezogen, mit den Arens ziehen jetzt wieder die ersten ein", sagt er.
Arens ist zuversichtlich, dass seine Pläne aufgehen. "Alles ist auf gutem Weg", sagt er.

Text von Andreas Tappert

Leipziger Volkszeitung, vom 30.07.2012


Nachricht vom 31.07.2012
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